Influenza, RSV und COVID-19: Ein Blick auf das Risiko von Sekundärinfektionen
Einleitung
Die Atemwegsviren Influenza und Respiratorisches Synzytialvirus (RSV) sind bekannte Verursacher von Atemwegserkrankungen, die besonders bei älteren Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem schwerwiegende Folgen haben können. In den letzten Jahren hat die COVID-19-Pandemie die medizinische Forschung in viele neue Richtungen gelenkt. Eine aktuelle Studie hat nun herausgefunden, dass Influenza und RSV das Risiko für sekundäre Infektionen mit Streptococcus pneumoniae erhöhen, während COVID-19 nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. In diesem Artikel werden die Ergebnisse dieser Studie sowie deren Bedeutung für die klinische Praxis näher betrachtet.
Die Studie im Detail
Eine retrospektive Analyse von Patienten, die in Veterans Affairs (VA) Krankenhäusern behandelt wurden, lieferte interessante Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Atemwegsviren und Sekundärinfektionen. Die Studie, die im Journal Clinical Infectious Diseases veröffentlicht wurde, wurde von Forschern des VA Western New York Healthcare Systems durchgeführt. In dem Zeitraum von Januar 2015 bis März 2025 wurden Daten von 188.172 Patienten analysiert, die auf Streptococcus pneumoniae getestet wurden.
Von diesen Patienten waren 8.165 (4,3%) positiv auf S. pneumoniae. Die Forscher untersuchten die vorherigen Infektionen der Patienten mit Influenza, RSV und COVID-19. Der primäre Endpunkt war die Entwicklung einer S. pneumoniae-Infektion innerhalb von 30 Tagen nach einem positiven Test auf eines der oben genannten Viren.
Ergebnisse der Studie
Von den 188.172 Patienten waren 14.506 positiv auf COVID-19, wobei 336 (2,3%) von ihnen anschließend eine S. pneumoniae-Infektion entwickelten. Im Vergleich dazu hatten 1.349 Patienten eine RSV-Infektion, von denen 132 (9,8%) eine S. pneumoniae-Infektion entwickelten. Bei den Patienten mit Influenza wurden 4.504 positive Tests registriert, wobei 452 (10,0%) eine nachfolgende S. pneumoniae-Infektion aufwiesen.
Höheres Risiko bei Influenza und RSV
Die multivariable logistische Regressionsanalyse zeigte, dass sowohl Influenza als auch RSV die Wahrscheinlichkeit einer S. pneumoniae-Infektion mehr als verdoppeln. Die Odds Ratio (OR) für Influenza betrug 2,39 (95% Konfidenzintervall [CI], 2,15 bis 2,64) und für RSV 2,50 (95% CI, 2,07 bis 2,99). Dies deutet darauf hin, dass Patienten, die an Influenza oder RSV erkrankt sind, ein signifikant höheres Risiko haben, auch an einer bakteriellen Superinfektion zu erkranken.
Im Gegensatz dazu verringerte eine vorherige COVID-19-Infektion die Wahrscheinlichkeit einer S. pneumoniae-Infektion um 44% (OR, 0,56; 95% CI, 0,50 bis 0,62). Dies wirft die Frage auf, warum COVID-19 in diesem Fall mit einem verringerten Risiko verbunden ist.
Mögliche Erklärungen für die Ergebnisse
Die Forscher spekulieren, dass Influenza und RSV das Risiko einer S. pneumoniae-Infektion erhöhen könnten, indem sie die Bronchien und das Lungenepithel schädigen. Diese Schädigungen könnten zusätzliche Anheftungsstellen für Bakterien schaffen, was zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Superinfektion führt.
Die Gründe für das reduzierte Risiko von S. pneumoniae-Infektionen nach einer COVID-19-Infektion sind weniger klar. Möglicherweise gibt es immunologische Mechanismen, die in der post-viralen Phase eine Rolle spielen. Es könnte auch sein, dass die Schwere der COVID-19-Erkrankung und die damit verbundenen Behandlungen das Risiko für bakterielle Infektionen beeinflussen.
Klinische Implikationen
Die Ergebnisse dieser Studie haben wichtige Implikationen für die klinische Praxis. Angesichts des erhöhten Risikos für S. pneumoniae-Infektionen bei Patienten mit Influenza und RSV sollten Gesundheitsdienstleister in Betracht ziehen, empirische antimikrobielle Therapien einzuleiten, wenn Patienten mit klinischen Merkmalen einer bakteriellen Superinfektion vorgestellt werden.
Die Studie hebt auch die Notwendigkeit hervor, Patienten über die Risiken von sekundären Infektionen aufzuklären, insbesondere während der Grippesaison oder bei Ausbrüchen von RSV.
Weitere Studien zur Thematik
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind nicht die ersten, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Atemwegsviren und bakteriellen Sekundärinfektionen befassen. Eine weitere relevante Studie, die 2020 in The Lancet veröffentlicht wurde, untersuchte ähnliche Zusammenhänge und bestätigte, dass Virusinfektionen das Risiko für bakterielle Infektionen erhöhen können. Diese Studie kann hier eingesehen werden.
Zusätzlich zeigt eine Untersuchung aus dem Jahr 2021, dass die Impfung gegen Influenza und Pneumokokken eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Sekundärinfektionen spielt. Die vollständigen Ergebnisse dieser Studie sind hier verfügbar: Vaccine.
Fazit
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Influenza und RSV das Risiko für sekundäre S. pneumoniae-Infektionen erhöhen, während COVID-19 nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die klinische Praxis, da sie die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung bakterieller Infektionen unterstreichen.
Die Forschung zu den Zusammenhängen zwischen Virusinfektionen und bakteriellen Sekundärinfektionen bleibt ein wichtiges Feld, das weitere Studien erfordert. Es ist entscheidend, dass sowohl Patienten als auch medizinisches Fachpersonal über die Risiken informiert sind, um geeignete Maßnahmen zur Prävention und Behandlung zu ergreifen. Bleibe gesund und achte auf die Symptome von Atemwegserkrankungen, insbesondere während der Grippesaison!